Schöne neue (Arbeits-)Welt

 

Glaubt man den Werbebroschüren moderner Marketing-, Design- und Architekturagenturen strahlt die Zukunft wie ein 4K Ultra HD Eye Care Touchdisplay mit Ambilight Technologie. Kein Wort verstanden? Die Agenturen auch nicht, denn für viele Menschen scheint die Zukunft eher pixelig, trist und bestenfalls schwarz/weiß. Wie kommt das?

Vielleicht, weil wir in einer entwurzelten Welt ohne vertraute Sicherheiten leben, in einer Welt, die uns oft durch ihr Komplexität und Beschleunigung überfordert. Fortschritt durch Technik hat sich in ein Hinterherhecheln vieler verwandelt, denen die Technologie davongefahren ist und sie hilflos ob der sich rasch wandelnden Anforderungen zurückgelassen hat. Digitale Transformation hörte sich für viele lange wie der Wechsel zum neusten Smartphone oder die sich selbst spielende Gaming-Konsole an. Heute wird der Begriff mit Existenzangst und der Vormacht der Maschinen verbunden. Technik wird zum Feind und nimmt dieser neuen Technologien ihren Sinn. Ein Leben ohne Sinn aber lässt die Farben verblassen.

Arbeit 4.0

Die Welt rückte zusammen, jeder ist mit jedem vernetzt, die Daten rauschen unzählbar um den Erdball und wir kommunizieren uns um den Verstand. Das ist vielleicht auch der Grund, wieso die Zufriedenheitsrate der Menschen seit Jahren kontinuierlich sinkt, somatische Erkrankungen zunehmen und Depression die Arbeitsunfähigkeitsstatistik anführt. Vielen fehlt die Zeit, sich all dem anzupassen, den eigenen Rhythmus neu zu takten und sich in einer Welt von Bits und Bytes zurechtzufinden.

Nichts anderes passiert am Arbeitsplatz, wo digitale Prozesse die gewohnten Abläufe ähnlich ablösen, wie einst das Auto die Pferdekutsche, nur um ein Vielfaches schneller. Diese Geschwindigkeit, gern auch in Managerseminaren als exponentielle Kurve dargestellt, überfordert all jene, die in den letzten 20 Jahren darauf gesetzt haben, dass alles erfunden ist, was es zu erfinden gibt, und das Internet ein vorübergehendes Phänomen ist. Das zieht sich vom Firmenlenker bis hinunter zur Putzkraft, die sich als einzige noch mit Eimer und Wischmob sicher auf ihrem Arbeitsplatz fühlt.

Doch bei all der technikfixierten Sichtweise der Industrie 4.0 gibt es einen Bereich, der stabil bliebe, auf den Unternehmen setzen könnten und der die Basis dieses Transformationsprozesses wäre, so er Beachtung fände, nämlich der Mensch selbst. Menschenzentrierte Arbeit, dh. am und mit dem Menschen, orientiert sich an den Bedürfnissen, Fähigkeiten und Wesenheiten von Menschen und schafft die Voraussetzungen, dass die digitale Transformation überhaupt gelingen kann. Nicht die Technik rettet unsere Zukunft, es wird der Mensch sein, so er überlebt.  

Disruptives Denken

Das setzt sogenanntes „Disruptives Denken“ voraus, also das Denken grundlegend anderer Abläufe und neuer Perspektiven, die infolge von Globalisierung und Digitalisierung möglich und notwendig werden. Dieses mutige Denken fehlt vielen Führungskräften, die einem tauben Dirigenten gleich ein Orchester steuern, in dem jeder seine eigene Melodie spielt. Sich von Gewohntem zu lösen und Neuem hinzuwenden, setzt Veränderungsbereitschaft bei sich selbst voraus und die Erkenntnis, dass alles, was wir heute können, morgen Geschichte ist und wir flexibel auf Veränderungen reagieren müssen. Das heißt neue Erfahrungen zu sammeln, Fehler zu machen und das daraus Gelernte anzuwenden. All das urteils- und kritikfrei sowie thematisch übergreifend, denn früheres Spezialistentum geht heute in Design Thinking Teams auf und unterstützt gemeinsame Projekte.

Die Binnenkonkurrenz zwischen Abteilungen hat ausgedient und wird von projektbezogenen Teams abgelöst, die frei von hierarchischer Führung eigenverantwortlich und kreativ Lösungen für die Probleme von morgen suchen und flexibel auf sich verändernde Anforderungen des Marktes reagieren können. Das macht die Arbeit des Einzelnen wieder steuer- und überschaubarer, damit einfacher und erfolgreicher. Ein Gewinn für jeden im Team und den Kunden als Ergebnisempfänger. Strahlt der, geht es dem Unternehmen gut und wann strahlt der Kunde? Wenn er sich verstanden fühlt. Wer seine Kunden verstehen will, muss in deren Welt leben oder sich deren Welt öffnen, also selbst Kunde und damit User sein. Nur so lassen sich Ergebnisse erzielen, die nachgefragt werden. Wir alle sind Kunden und sollten deshalb auch für Kunden arbeiten. Nicht für Chefs oder Unternehmer.

New Work

Damit wandelt sich auch die Rolle der klassischen Führungskraft hin zum Dienstleister im eigenen Haus und zum Herbergsvater ständig wechselnder Teams zu sich ständig verändernden Produkten oder Dienstleistungen. Ergebnisse, die unsere Welt komfortabler, schöner und besser machen. Dabei hat die neue Führungskraft den Blick offen für den Experten, der gerade dem Team die Noten erklärt und den Takt vorgibt. Führung per Exzellenz, nicht per Order. Das ist menschenzentrierte Führung und die künftige Art zu arbeiten, wenn man seine Arbeit behalten möchte.

Denn Arbeit ist heute weit mehr als nur Broterwerb. Sie ist die persönliche Art, die Zukunft zu gestalten und damit einen Kulturwandel, der weit ins Private hineinreicht. Nicht zuletzt der raumgreifenden Technologie wegen, die Androiden gleich den Menschen mit seinem Tun verschmelzen lässt. Auch das ist Transformation, hin zur New Work. Das war kein rein freiwilliger Prozess. Vielmehr zwingen wirtschaftliche, technologische und nicht zuletzt kulturelle Veränderungen den Menschen, sich anzupassen und ebenso flexibel wie effizient seine Lebenszeit zu nutzen. Arbeit ist dabei ein weiterhin bestimmender Faktor, doch das Private holt auf.

Work-Life-Romance

Muss es auch, denn Digitalisierung, Globalisierung, Künstliche Intelligenz, autonome Mobilität und Robotertechnik stellen uns - Vertreter der alten Arbeitswelt - im Zeitalter von Industrie 4.0 die Frage: Was will ich in der Zukunft noch tun? Die Antwort darauf hat nicht nur existenzielle Folgen, sondern ebenso essentielle Ursachen, die weit in unsere Identität und den Sinn unseres Lebens hineinwirken. Mache ich das, was ich tun will oder tue ich nur, was gemacht werden muss? Arbeite ich, um zu leben oder lebe ich, um zu arbeiten? Hier kommt die „Neue Arbeit“ ins Spiel und verbindet privates Leben mit Arbeit auf eine neue, Werte gerechtere Art und Weise.

Denn erst, wenn Mitarbeiter einen Sinn in ihrem Tun erkennen und dieser mit ihrem sonstigen Leben vereinbar wird, sind Innovationsbereitschaft und Erneuerungswillen leichter zu erreichen. Die intrinsische Motivation, das zu tun, was ich tun will, lässt sich nur durch bedürfnisgerechtes Arbeiten erreichen. Der Sinn dabei ergibt sich aus dem Wofür des Tuns und schaut in die Zukunft. Entsprechend attraktiv sind Unternehmen, die einen solchen Sinn in der Mitarbeiterentwicklung anbieten und mit den persönlichen Haltungen und Werten der Mitarbeiter in Verbindung treten.

Setzt doch sinnstiftendes Tun, das sich an einer Zukunft ausrichtet, in der ich gern leben möchte, ein ebenso sinnstiftendes Umfeld voraus. Ein Umfeld, in dem ich meinen Beitrag leisten kann. Auch dort verändert sich Führungsverhalten und das damit verbundene Mindset künftiger innovativer Entscheider. Innovation ist dabei der Sammelbegriff für neues (disruptives) Denken und den dafür nötigen Perspektivwechsel hin zum ebenso sinnstiftend lebenden Kunden. Das ist ein Kulturwandel und setzt eine Werte orientierte Haltung voraus, die Führungskräfte nicht auf Managerseminaren lernen, sondern künftig aus sich heraus leben sollten. Was aber sind die Pfeiler einer solchen neuen Führungskultur?

Hire for Attitude, Train for Skills

Die wichtigste Säule einer agilen Unternehmenskultur ist die Fähigkeit der Führungskräfte zur Selbstführung, dh. die Einsicht in die stete Eigenentwicklung der Führungskraft. Das umfasst eine von Wertschätzung geprägte Dienstleistung am Mitarbeiter, dessen Bedürfnisse, Talente und Entwicklungsmöglichkeiten auf Augenhöhe gesehen und gefördert werden. Nicht das Führen ist der Weg, sondern die Begleitung auf dem Weg der Schlüssel zum Erfolg. Begleiter, Coaches oder Mentoren lösen die klassische, Hierarchie gewohnte Führungskraft ab und ersetzen Dienstanweisungen durch Vertrauen in die selbständige Entscheidungsfähigkeit des Mitarbeiters. Einem Gärtner gleich pflegt eine neue Führungskraft die Talente im eigenen Garten und schützt die wertvollste Ressource der Zukunft. Den Mitarbeiter als Wert zu begreifen, macht beider Leben wertvoll und damit den Arbeitsplatz zu einem Ort voller Reichtum. Geht es doch nicht darum, Talente zu finden, sondern künftig darum, sie zu halten.

Hierzu bedarf es flacher Hierarchien, da die Führung davon abhängt, Macht abgeben zu können und dem jeweils Geeigneten für das konkrete Projekt entsprechendes Vertrauen einzuräumen, damit dieser und sein selbst gewähltes Team handlungsfähig werden. Hierzu gilt es für Führungskräfte, diesem Projektteam Steine aus dem Weg zu räumen und die Freiräume anzubieten, in denen der kreative Prozess des Design Thinking ablaufen kann. Agiles Management erfordert einen flexiblen Umgang mit auch kurzfristigen Anforderungen und dient dem Effizienzgewinn des Unternehmens.

New Leadership

Diese neue Form des Führens ändert auch die Art der Unternehmensführung. Man fährt nicht mehr allein auf Sicht, sondern denkt visionär über das nach, wofür das Unternehmen steht. Nicht allein Quartalszahlen entscheiden über die Fortsetzung des Weges, sondern das gemeinsame Wofür aller am Unternehmen Beteiligten. Das setzt eine unternehmerische Wertekultur voraus unter Abgleichung der Firmenwerte mit denen der Mitarbeiter. Ein Mitarbeiter, der wertegeleitet arbeitet und damit seine Bedürfnisse in seinem Tun befriedigt sieht, empfindet das, was er tut, als wertvoll und damit sich als wertgeschätzt. In einem solchen Klima gedeihen Fortschritt und Wachstum im Einklang mit einer Zukunft, in der Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeiter sinnstiftend leben wollen. Am Umsatz allein wird sich diese Zukunft nicht mehr ausrichten lassen, sondern am Glück derer, die zum Erfolg des Unternehmens beitragen, egal ob es Mitarbeiter oder Kunden sind.

 

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