Ein Unternehmen ist wie ein Kreuzfahrschiff, nicht so erholsam, aber oft sehr schwerfällig, wenn es um Veränderungen und Anpassungen an sich wandelnde Marktbedingungen geht. Hier hilft kein von der Brücke angeordnetes Herumreißen irgendeines Steuerrades. Das Kommando muss die ganze Mannschaft erreichen, die sich in die Seile legt und das Segel neu ausrichtet.
Gehen dabei einzelne Matrosen über Bord leidet nicht nur die Stimmung der übrigen Mannschaft, sondern stellt die Besatzung vor größer werdende Belastungen. Verschleißen doch Wind und Wetter die Kräfte der Verbliebenen und lassen das Schiff vom Kurs abkommen. Da hilft auch das gelegentliche Auflesen von Schiffbrüchigen nicht weiter.
Genug mit nautischen Metaphern. Wesentlich ist, dass ein Unternehmen schlecht beraten ist, wenn es für Ideen, Innovationen und KnowHow primär auf den Zugang von Außen, also das Einstellen neuer Mitarbeiter setzt, ohne sich des eigenen Potenzials bewusst zu sein. Die wahre Kraft eines Unternehmens steckt im Inneren, in der Substanz, ähnlich einem Zellkern, aus dem heraus neues Leben entsteht.
Dieses (Firmen)-Leben sind die Mitarbeiter und die bedürfen regelmäßiger Pflege und Aufmerksamkeit. Mitarbeiter sind kein Mobiliar, das man einmal die Woche abstaubt und in der Bilanz als geringwertiges Wirtschaftsgut auf drei Jahre abschreibt. Das würde höchstens die ähnlich hohe Fluktuationsquote deutscher Unternehmen erklären. Mitarbeiter sind der Puls einer Firma, weshalb ein solcher Braindrain lebensgefährlich ist und die Unternehmen zwingt, die Lücken mit externen Fachleuten zu stopfen.
Dabei wäre es für Firmenlenker leichter, mit zehn Fingern einen Duschkopf abzudichten, als für jeden guten Mitarbeiter einen Ersatz zu finden. Der Fachkräftemarkt schrumpft, während die Quote der inneren Kündigungen innerhalb der Unternehmen steigt. Was nach einem Widerspruch aussieht, ist nur das Seil um den Hals, falls die Kugel im Pistolenlauf stecken bleibt. Gestorben wird in jedem Fall.
Viele Mitarbeiter sind angesichts fehlender Perspektiven, sinnentleerten Funktionierens und mangelnder Wertschätzung ihrem Tun gegenüber frustriert. Zeitgleich aber verunsichert sie die sich eintrübende Aussicht der Weltwirtschaft und die als Jobvernichtungsmaschinerie verteufelte Digitalisierung so, dass sie an ihrem unerfüllten Job festhalten, den aber nur noch halbherzig ausüben. Ein Berufswechsel unterbleibt und das Unternehmen verfault von innen heraus. Ein teures Vergnügen.
Das kann durch Recruiting nicht aufgefangen werden, wenn sich der neue Mitarbeiter in ein veraltetes und damit wenig attraktives Unternehmen integrieren soll und damit vom sprichwörtlichen Regen in die Traufe kommt. Die Tage, bis sich dieser neue Kollege wieder verabschiedet, sind bereits bei Vertragsschluss gezählt und das Geld für dessen Gewinnung verbrannt.
Wie ich oben bereits schrieb, steckt das Potenzial hingegen im Kern. Eine Gesichtsmaske ist nett, eine Frischzellenkur wirksamer. Entsprechend gut beraten sind Unternehmen, sich ihrer internen Stärken bewusst zu werden und die bereits eingestellten Talente zu nutzen. Das setzt eine von Vertrauen und Inspiration geprägte Werte- und Unternehmenskultur voraus, die an jedem einzelnen Arbeitsplatz spürbar werden muss.
Das beginnt wie so oft ganz oben, beim Inhaber oder Geschäftsführer des Unternehmens, solange dessen Motivation nicht ausschließlich Boni geleitet dafür sorgt, dass auch er das sinkende Schiff nach drei Jahren mit einem goldenen Handschlag verlässt. Werden hingegen in der Zentrale die Weichen auf Veränderung, Modernisierung und mitarbeiterzentrierte Führung gestellt, wirken sich die entsprechenden Maßnahmen bis hinab ins Archiv, die Pforte oder den Werkschutz aus.
Unternehmen, die sich die Mühe machen, ihre Mitarbeiter in Entscheidungen einzubeziehen, ihnen Raum zur persönlichen Entwicklung anbieten und in dabei gemachten Fehlern Chancen der Verbesserung sehen, werden schnell spüren, wie viel Erneuerung in den eigenen Reihen versteckt liegt. Das firmeninterne KnowHow ist ein Schatz, der in jeder Bilanz auf die Habenseite gehört, aber nur dann Zinsen abwirft, wenn man ihn auch hebt. Diesen Schatz zu entdecken, ist Aufgabe einer konstruktiven Zusammenarbeit der Firmenlenker mit der jeweiligen Arbeitnehmervertretung. Hier stehen sich keine Kontrahenten gegenüber, sondern Kollegen auf der gleichen Seite des Seils.
Das was für den Einzelnen gilt, der sich wahrgenommen, wertgeschätzt und herausgefordert fühlen möchte, der einen Sinn braucht, um Visionen zu entwickeln, und mehr ist als bloßer Befehlsempfänger, gilt auch für Teams. Diese funktionieren nicht besser, wenn ich von außen einen Impulsgeber rekrutiere, der solange auf Widerstand stößt, bis er oder sie das Handtuch wirft oder sich dem üblichen „Dienst nach Vorschrift“ anpasst. Hier empfehle ich ein Team als das zu sehen, was es ist, nämlich als eine Gruppe von Individuen mit Bedürfnissen und Talenten, die es zu erkennen und zu fördern gilt.
Ein Team ist nur so gut wie sein schwächstes Mitglied und das Unternehmen nur so erfolgreich wie sein schwächstes Team. Deshalb ist die Förderung jedes einzelnen Mitgliedes keine Ausgabe, sondern ein Investment in die Zukunft der Firma und damit die Voraussetzung für Wachstum und Gewinnmaximierung. Erkenne ich das Bedürfnis des einzelnen Mitarbeiters am gemeinsamen Unternehmensziel, kann ich dessen innere Motivation nutzen, ohne ihn antreiben zu müssen. Jeder kam in die Firma, um sich zu bewähren, um beizutragen und war motiviert. Dieses einstige Glühen gilt es in eine neue Flamme umzuwandeln, indem ich jedem Mitarbeiter die Möglichkeit anbiete, über sich hinauszuwachsen.
Eine gute Führungskraft hält dazu Licht, Wasser, Nährstoffe und Luft bereit, um den Mitarbeiter-Pflanzen perfekte Bedingungen zu schaffen. Wachsen müssen sie allein, da helfen weder Ziehen noch gutes Zureden. Gespräche zwischen Führungskraft und Mitarbeiter sind eher Frühwarnsysteme, um über Mängel und Hindernisse informiert zu sein und Gegenmaßnahmen treffen zu können. Liegt eine solche Kommunikation nicht vor oder wird durch das Prinzip unkollegialen Herrschaftswissens blockiert, sterben die Pflanzen und der Garten verdorrt. Mit ihm das Unternehmen, woran auch der Zukauf von neuen Setzlingen nichts ändert.
Deshalb zurück zu unseren nautischen Metaphern. Das Unternehmen mag viele Häfen ansteuern, Ware löschen und neu aufnehmen, einzelne Matrosen verabschieden und neue an Deck begrüßen, die Stammcrew indes hält das Schiff auf Kurs und verhindert das Zerschellen an Riffs und Untiefen auf dem Weg zum neuen Hafen.