Digitalisierung?

Klar, machen wir. Wozu sonst haben wir diesen Onlineshop?

So oder so ähnlich stellen sich noch immer viele Firmenlenker die digitale Transformation, also den Wechsel aus der anlogen Industrie 3.0 ins moderne Zeitalter von Arbeit 4.0 vor. Doch ein PC allein reicht nicht, um digital zu arbeiten. Ebenso wenig wie Führungskräfte ohne Krawatte agil sind.

Es geht um nichts weniger als eine Revolution, einen Kultur- und Wertewandel, der unsere Verbrauchergewohnheiten ebenso auf den Kopf stellen wird, wie es Unternehmen schwer fällt, sich die Zukunft auszumalen und damit Schritt zu halten. Dauerte es noch 62 Jahre, bis 50 Millionen Autos verkauft waren, luden sich in etwas über 2 Wochen 50 Millionen Menschen Pokémon Go auf ihr Smartphone. Zeit ist relativ und zurzeit relativ schnell.

Es heißt sich also anzuschnallen und Gas zu geben, ohne den Gegenverkehr aus dem Auge zu verlieren. Es ist beileibe keine Autobahn, auf der sich Unternehmen heute durch die Welt bewegen, sondern ein Labyrinth voller Einbahnstraßen, Baustellen und Hindernisse, die nicht selten zu Unfällen und damit kilometerlangen Staus führen.

Ursächlich für diese Staus sind in aller Linie Führungskräfte, deren einziger Beitrag zur digitalisierten Welt die Nutzung ihres Smartphones ist, während die Kunden des Unternehmens am besten noch mit Kreide und Schiefertafel vorlieb nehmen sollen. Nicht anders ergeht es Mitarbeitern, die – zunehmend selbst als digital Natives aufgewachsen – in einer Welt von gestern arbeiten sollen.

Während alle Welt über autonomes Fahren spricht, wird über autonomes Führen und Arbeiten viel zu wenig nachgedacht. Doch dort liegt die Zukunft, nämlich in einer sich ändernden Arbeits- und Lebenswirklichkeit, so unverständlich den alten Silberrücken in den Chefetagen das heute noch vorkommen mag.

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Management im Zeitalter der Digitalisierung funktioniert anders, weshalb es auch anderer Führungspersönlichkeiten bedarf und – ich nehme es vorweg – auch viel weniger von ihnen. Doch beginnen wir vorn, bei dem Wofür künftigen Führens.

Die Zeiten Rhythmus gebender Schläge auf Galeerenschiffen sind vorbei. Die Menschen der digitalen Generation wachsen mit einem neuen Freiheits- und Lebensbegriff auf. Es gilt nicht mehr nur zu leben, um zu arbeiten, sondern das Leben mit der Arbeit möglichst harmonisch zu verweben. Das erfordert Loslassen statt Stechuhr, Vertrauen statt Kontrolle, Teamgeist statt Direktionsrecht. Und es bedeutet auch eine neue Rolle innerhalb der Firmen. Wir werden zu Usern unseres Tuns, zur ersten Qualitätskontrolle und Feedbackgebern unserer Kollegen und Chefs.

Das setzt eine digitale Kompetenz voraus, mittels der wir die digitale Welt nutzen lernen und entsprechende Entwicklungen durch neue Ideen anstoßen. Die Folge werden zufriedene Kunden, also wir selbst sein, die diese neue Welt zu nutzen wissen. Und wie sieht diese Welt aus Nutzersicht aus? Selten perfekt, aber immer auf unsere Bedürfnisse hin optimiert. Dinge verbinden sich und werden schnell verfügbar, Smartphones holen die Welt in unsere Hand und entlasten uns auf eine Art, wie wir sie auch im übrigen Leben mehr und mehr erwarten. Alles soll nur einen Klick entfernt sein und das sofort, rund um die Uhr und möglichst individuell.

So möchten wir auch arbeiten. Individuell und frei in unserer Zeiteinteilung, möglichst abwechslungsreich und flexibel und ohne unnötige Beaufsichtigung oder Gängelung. Schöne neue Arbeitswelt, ein Traum? Eher ein Alptraum für traditionelle Führungskräfte, die nur noch wenig Zeit zum Umlernen haben, bevor sie auf dem Müllberg der Geschichte landen.

Wenn ich erlebe, dass mir stupide Hausarbeit mit einem Hörbuch auf den Ohren mehr Spaß macht als bisher, möchte ich künftig möglichst viele Bücher lieber hören als lesen. Verlagshäuser, die hier mitleidig den Kopf schütteln und auf ihre schmucken Einbände verweisen, ohne die ein Kunde doch niemals ein Buch kaufen, geschwiege denn nur hören würde, können sich ihre Trauer für die eigene Beerdigung aufheben. Sie werden vom Markt vergessen werden.

Der Blick in die Kristallkugel

So schnell Nischenprodukte unseren Alltag erobern und das Gewohnte ersetzen, so schnell dreht sich einem der Kopf, denkt man an das eigene Tun und dessen künftige Halbwertszeit. Gerade noch wurden die Telekom-Manager für die Einführung der SMS gefeiert, da machte sich ein nerdiges kleines Programm namens Whatsapp auf, diesen Textservice überflüssig zu machen. Quasi über Nacht legte ein Garagenteam einen Globalplayer lahm und nahm ihm eine Milliarden schwere Einnahmequelle weg. Disruption bis die nächste Idee auch WhatsApp ersetzen wird.

Es lohnt nicht, all die zu beklagen, die auf ähnliche Weise vom Markt gefegt wurden, der Friedhof wäre zu groß. Es lohnt aber, über die Gründe nachzudenken, um sich selbst neu zu erfinden.

Einer der Gründe sind die Brücken, die die digitale Welt baut. Brücken zwischen Kunde und Unternehmen, die ein schnelles Feedback zu Produkten ebenso möglich machen wie eine Reaktion darauf seitens des Unternehmens, egal ob als individueller Service oder eine kundengerechte Produktveränderung. Das setzt Flexibilität voraus und schafft, was 100 Jahre Dienstleistung bislang selten gut konnte, nämlich den Kunden wirklich zu erreichen.

Doch nichts ist wandelbarer als die Gunst des Kunden, weshalb viele Unternehmen mit einer zunehmenden Unsicherheit klar kommen müssen. Sie sind verunsichert, wer künftig welche Produkte kaufen wird und mit wem man weiterhin zuverlässig zusammenarbeiten kann, wen es morgen noch gibt und ob die Mitarbeiter an Bord bleiben? Das Elektroauto, so umstritten es sein mag, bedroht den traditionellen Fahrzeugbau und mit diesem eine Armada an Zulieferern und Profiteuren alter Mobilität. Wo Tausende ihren Job verlieren, suchen Personalleiter vergebens nach Fachkräften, die in der digitalen Zukunft zuhause sind.

Der Mitarbeiter, eine aussterbende Art

Zuhause ist dabei ein aus Mitarbeitersicht immer wichtiger werdendes Stichwort, sind doch die Heranwachsenden der Jahrtausendwende, die sog. Millennials ebenso wie ihre älteren Geschwister der Generation Y immer weniger bereit, ihre Lebenszeit gegen Geld einzutauschen und schon gar nicht an einem festen Ort für den Rest ihres Daseins. Dafür ist die Welt zu groß und das Leben zu kurz, die Möglichkeiten zu vielfältig und direktive Chefs sowas von 80er. Hier trifft Flexibilitätserwartung auf Flexibilitätsherausforderung und verändertes Führungsverhalten.

Der Chef von heute wird im Laufe seiner Karriere viele Mitarbeiter kommen und gehen sehen und je besser sein Unternehmen auf die Herausforderungen der digitalen Transformation bzw. Arbeit 4.0 vorbereitet ist, desto niedriger lässt sich diese Fluktuation gestalten. Wanderbewegungen aber bleiben, ist doch ein festes Arbeitsverhältnis von der Lehre bis zur Bahre ein aussterbendes Modell. Manche Unternehmen beschleunigen diesen Trend sogar, in dem sie gar keine Angestellten mehr haben, sondern nur noch das Produkt verwalten und den Service mittels Externer, Freiberufler, Freelancer oder Selbstständiger erbringen lassen. Uber grüßt AirBnB.

Andere schreiben ihre Projekte nur noch aus und lassen Jobsuchende sich auf deren Umsetzung bewerben. Hiring on demand, wie es neudeutsch heißt und gern als neoliberale Lohnsklaverei betitelt wird. Dafür braucht es keine startups, das beherrschen Globalplayer wie IBM ebenso gut und noch folgt die crowd, um zu arbeiten und sich beim sogenannten Crowdworking von der ursprünglichen Kaste der Angestellten mehr und mehr zu entfernen. Mit ihnen entfallen traditionelle Berufsbilder, während neue entstehen sollen, für die es noch nicht einmal Namen gibt.

Diese neu zu erwartenden Berufsbilder sind zum Teil noch so unspezifisch, dass niemand sich darauf gezielt vorbereiten kann, geschweige denn Ausbildungsmöglichkeiten bereitstehen. Hier müssen völlig neue Formen des Lernens und sich Spezialisierens gefunden werden, um den spontanen Erwartungen des Marktes gerecht werden zu können. Einer Joblotterie gleich werden selbständig erworbene Fähigkeiten nachgefragt oder eben nicht und wer nicht mit Leidenschaft ständig auf der Suche nach Neuem ist, bleibt auf der Strecke. Hier spiegelt sich die Zukunft der Unternehmen mit der der potentiellen Angestellten, deren Wettlauf längst begonnen hat. Dem Sieger winkt ein flüchtiges Monopol, bevor die Jagd von Neuem beginnt.

Hektische Zeiten erwarten uns. Zeiten, in denen sich die Fähigkeiten der inneren Ruhe, des Fokus und hoher Flexibilität nicht ausschließen dürfen, sondern bereit für ein Leben machen, in dem Arbeit einen neuen Stellenwert erhält. Wie das aussehen kann und welche Rolle dabei Führungskräfte innehaben, beleuchte ich in meinem nächsten Artikel, hier auf unserem Blog.

 

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